Wie wirkt sich „Long Covid“ auf Kinder und Jugendliche aus?
Wie wirkt sich „Long Covid“ auf Kinder und Jugendliche aus?
Betroffene Kinder & Jugendliche haben eine schwerwiegende, chronische Erkrankung, die ihr Leben tiefgreifend verändert.
Sie sehen meist nicht krank aus und ihre Belastungsgrenze kann auf den ersten Blick nicht erkannt werden.
Viele junge Menschen versuchen, trotz ihrer schweren Erkrankung den Schul- bzw. Berufsalltag und ihr soziales Leben einigermaßen aufrechtzuerhalten, sofern dies überhaupt möglich ist.
Durch Überschreiten der Belastungsgrenze kommt es jedoch oft zu einer Verschlechterung und eine Abwärtsspirale wird ausgelöst, die nur schwer zu stoppen ist.
Selbst kleinste Aktivitäten wie Gespräche oder das Sitzen im Unterricht können schon zu viel sein.
In schweren Fällen, die leider oft vorkommen, sind die Betroffenen so stark eingeschränkt, dass sie einen Großteil des Tages im Bett verbringen müssen – oft vollständig isoliert von Schule, Freundschaften und dem normalen Leben.
Weiter unten erklären wir die Begriffe Long Covid, Post Covid, ME/CFS und PAIS (post-akute Infektionssyndrome), die allesamt umgangssprachlich oft als "Long Covid" bezeichnet werden.
Warum Anerkennung und Rücksicht für Betroffene entscheidend sind
Ohne frühzeitige Anerkennung und angemessene Berücksichtigung kann es zu einer langfristigen und schweren Beeinträchtigung der körperlichen und geistigen Gesundheit kommen.
Die Erkrankung wird oft nicht erkannt oder unterschätzt, weil viele Symptome für Außenstehende nicht sichtbar sind.
Fehlendes Verständnis für die Belastungsintoleranz kann dazu führen, dass Kinder und Jugendliche über ihre Grenzen hinausgehen, was in vielen Fällen eine dauerhafte Verschlechterung ihres Gesundheitszustands nach sich zieht.
Viele junge Menschen verlieren nicht nur den Anschluss an ihre schulische Bildung, sondern auch den Zugang zu sozialen Kontakten, Selbstständigkeit und Zukunftsperspektiven.
Die Herausforderungen für Betroffene und Angehörige sind enorm: Im Alltag, in der medizinischen Versorgung und in der Pflege.
Fehlende Akzeptanz und Unterstützung in der Gesellschaft und im Bildungssystem stellen für Familien kaum bewältigbare Belastungen dar.
So, wie aktuell mit jungen Betroffenen umgegangen wird, besteht die große Gefahr, dass diese ihre Chancen auf Entwicklung, Bildung und ein selbständiges Leben verlieren.
Postinfektiöse Syndrome auf Vormarsch
Seit der Corona-Pandemie sind die post-akuten Infektionssyndrome (PAIS) in den Fokus gerückt, da in ganz Österreich unzählige Menschen davon betroffen sind, auch Kinder & Jugendliche.
PAIS entsteht oft nach bakteriellen oder viralen Infektionen wie z.B. dem COVID-19-Virus oder dem Epstein-Barr-Virus (EBV).
ME/CFS stellt die schwerste Form dieser post-akuten Infektionssyndrome dar.
Was ist Long COVID?
Long Covid beschreibt eine Reihe von Symptomen, die nach einer akuten COVID-19-Infektion auftreten können. Eigentlich wird unterschieden zwischen Long-Covid (Symptome über 4 Wochen) und Post-Covid (Symptome über 12 Wochen). Umgangssprachlich wird beides als Long Covid bezeichnet, daher übernehmen auch wir diesen Begriff (sowie stellvertretend auch für alle Post-Vac-Betroffenen).
Long Covid wird in 3 Gruppen unterteilt
Betroffene, die durch einen schweren akuten Verlauf lang anhaltende Organschäden erleiden
Betroffene, bei denen durch eine COVID-19-Infektion neue Erkrankungen entstehen
Betroffene, bei denen das Post-COVID-Syndrom entsteht
Auch viele Kinder & Jugendliche sind vom Post-COVID-Syndrom betroffen:
Häufige Symptome sind Unfähigkeit für Sport und Aktivitäten, Kreislaufprobleme, Herzrasen, Atembeschwerden, Erschöpfung bei geringer Belastung sowie kognitive Einschränkungen wie Konzentrationsstörungen oder Brain Fog. Im besten Fall klingen die Beschwerden bei ausreichender Schonung nach 6 Monaten ab.
Häufig wird Long Covid jedoch nicht erkannt. Wenn Belastungsgrenzen aufgrund des fehlenden Wissens über die Erkrankung fortwährend überschritten werden, kommt es zur Chronifizierung.
Im schlimmsten Fall wird das Vollbild von ME/CFS entwickelt.
Was ist ME/CFS?
ME/CFS (Myalgische Enzephalomyelitis / Chronisches Fatigue-Syndrom) ist eine eigenständige schwere Multisystemerkrankung, die häufig als Folge von Long Covid oder anderen postinfektiösen Erkrankungen auftritt und fälschlicherweise auch oft umgangssprachlich "Long Covid" genannt wird. Neben Infektionen können auch Impfungen, Unfälle, Operationen, Umwelttoxine oder starke Belastungen des Immunsystems und Nervensystems ME/CFS auslösen.
ME/CFS wurde bereits 1969 von der WHO als neurologische Krankheit anerkannt und ist seither nicht hinreichend erforscht. Aktuell wird davon ausgegangen, dass eine Fehlregulation des Immunsystems und des autonomen Nervensystems Grundlage für die Erkrankung sein können.
ME/CFS kann (je nach Schweregrad) zur Bettlägrigkeit und Pflegebedürftigkeit führen:
60 % der Erkranten sind lt. MedUni Wien nicht voll arbeits- oder schulfähig, 25 % sind völlig bettlägerig.
Das Hauptmerkmal von ME/CFS ist PEM (Post-Exertional Malaise) – auch als „Crash“ bezeichnet - eine plötzliche Verschlechterung der Symptome nach körperlicher, geistiger, sozialer oder emotionaler Überanstrengung.
Diese Verschlechterung tritt zeitverzögert (nach ca. 24 – 72 Stunden) auf und kann Stunden, Tage, Wochen oder schlimmstenfalls dauerhaft anhalten. Genau dieser Mechanismus macht den Umgang mit ME/CFS so schwer, weil in der Situation der Anstrengung die Überforderung nicht spürbar ist.
Die Belastungsgrenzen Betroffener sind individuell und teilweise sehr gering. Schon alltägliche Tätigkeiten wie Lesen, das Führen eines Gesprächs oder das Verlassen des Hauses können PEM auslösen. Es hängt allerdings vom Schweregrad der Erkrankung ab, welche Aktivität oder welcher Reiz zum Crash führt. Körperliche und kognitive Aktivierung wirken entgegen üblicher Erfahrungen und Meinungen nicht unterstützend, sondern können zur weiteren Verschlechterung führen.
Betroffene leiden zudem unter krankhafter Erschöpfung "Fatigue", die nicht durch Schlaf oder Ruhe behoben werden kann und keinesfalls mit normaler Müdigkeit zu vergleichen ist.
Zusätzlich leiden die Erkrankten an vielfältigen neurologischen, immunologischen, gastroenterologischen Symptomen sowie Gefäßerkrankungen.
Es gibt derzeit keine zugelassenen Medikamente oder ursächliche Behandlungen.
Das Wichtigste im Umgang mit ME/CFS ist Pacing.
Häufige Symptome bei Kindern und Jugendlichen
Erschöpfung (Fatigue): Krankhafte Erschöpfung, die nicht durch Schlaf oder Ruhe behoben werden kann
PEM (Post-Exertional Malaise): Verschlechterung der Symptome nach Überschreiten der meist sehr geringen Belastungsgrenze, die längere Zeit oder dauerhaft anhalten kann. Schon alltägliche Tätigkeiten wie Lesen können einen „Crash“ auslösen.
Kreislaufprobleme: Schwindel, Blutdruckschwankungen, erhöhter Puls (besonders beim Stehen)
Neurologische Symptome: Konzentrationsprobleme, Gedächtnisstörungen, Schwierigkeiten bei der Wortfindung, Brain Fog (Schwierigkeit, klar zu denken, sich zu konzentrieren und Informationen zu behalten)
Schlafstörungen: Ein- und Durchschlafprobleme, Alpträume, nicht erholsamer Schlaf
Schmerzen: Muskel-, Gelenk- und Kopfschmerzen
Reizempfindlichkeit: auf Licht, Geräusche, soziale Interaktionen, …
Immunologische Symptome: Grippeartige Beschwerden, häufige Infektionen durch geschwächte Immunabwehr, geschwollene Lymphknoten
Sensibilitätsstörungen: Kribbeln, Taubheit, Temperaturempfinden
etc. - die Liste weiterer, vielfältiger Symptome ist lang
Was ist Pacing?
Das Wichtigste im Umgang mit ME/CFS ist Pacing – das bewusste und vorausschauende Einteilen von Energie und Aktivitäten. Da sich der Körper bei ME/CFS nur begrenzt regenerieren kann, ist es entscheidend, Belastungen gezielt zu dosieren, um eine Verschlechterung der Symptome zu vermeiden. Besonders Kinder brauchen hierbei die Unterstützung von Erwachsenen, da sie entweder ihre Grenzen noch nicht einschätzen können oder Hilfe brauchen, diese zu wahren. Junge Betroffene brauchen hierbei Schutz von außen.
Pacing hilft, die begrenzte Energie sinnvoll einzuteilen, Überlastung zu vermeiden und so die Lebensqualität bestmöglich zu erhalten.